Upcyling – Aus Alt mach Neu

Pflanzen in altem Tetrapak

Gartenmöbel aus ausrangierten Paletten, ausgefallende Mode aus aussortierten Klamotten, Umhängetaschen aus alter LKW-Plane, oder Yoga-Matten aus abgenutzten Autoreifen. Materialien, welche für die Tonne bestimmt sind zu nutzen und daraus etwas Neues machen, das ist Upcycling. Upcycling hat das Ziel, Abfall aufzuwerten und Neues daraus entstehen zu lassen.

Der Unterschied zu Recycling ist, dass die gebrauchten Gegenstände und Abfälle nicht in die ursprünglichen Teile zerlegt, sondern in Ihrer aktuellen Form neu verwendet werden. Kreativ umgestaltet, qualitativ aufgebessert und somit neu interpretiert.

Mit großem Rückenwind der Nachhaltigkeits-Bewegung hat sich Upcycling zu einem echten Trend gemausert und ist heute in aller Munde: „Wow, Deine Sporttasche ist aus Abfallprodukten gemacht. Wie toll.“ Was vor Jahren noch undenkbar war, gilt heute als modisch und hip. Das Internet ist voller spannender Ideen für Upcycling: Modekreationen aus gebrauchten Stoffen für individuelle Kleidung. Spannende Inspirationen für Möbel und hübsches Dekor. Besonders beliebt sind Upcycling-Produkte als persönliche und einzigartige Geschenkideen.

Upcycling-Produkte haben eine bessere CO²-Bilanz als neu Produzierte. Sie sind nicht nur persönlicher sondern auch grün, originell und vor allem individuell. Upcycling kann somit auch als der kreativere Weg des Recyclings betrachtet werden.

Was steht hinter dem Trend des Upcyling? Woher kommt das Konzept der kreativen Neuverwertung? Wie reagieren Unternehmen darauf? Und besonders: Wie nachhaltig ist Upcyling wirklich? Diese Fragen möchten wir für Dich in diesem Beitrag beatworten.

Upcycling als Teil des steigenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit

Die begrenzte und endliche Verfügbarkeit von Rohstoffen rückt durch gesellschaftlichen Wandel und steigendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit immer mehr in unseren Fokus. Rohstoffe sind begrenzt und unser Konsum verbraucht diese wertvollen Rohstoffe in rasanter Geschwindigkeit. Da alle Rohstoffe endlich sind, werden Viele auf absehbare Zeit erschöpft sein. Ein Umdenken und eine deutliche Änderung unseres Lebenswandels sind daher unumgänglich.

Eine große Ursache des immensen Ressourcenverbrauchs: Viele Produkte werden heutzutage in so schlechter Qualität hergestellt, dass sie oft schnell kaputt gehen und nicht weiter genutzt werden können. Im Zuge des Mantras „Geiz ist geil!“ sinkt die Bereitschaft angemessene Preise für hochwertige und langlebige Qualität zu bezahlen immer weiter. Das Resultat: Viele Produkte werden so produziert, dass sie keine Chance auf eine lange Nutzungsdauer haben. Und wenn etwas kaputt geht, können solche Produkte oft nur schwer oder gar nicht repariert werden. Viele Alltagsgegenstände sind heute tatsächlich als Wegwerfprodukte konzeptioniert. Wir alle kennen das T-Shirt für 4,99 Euro, dass im Laden noch schick ausschaut und dann nach kürzester Zeit völlig seine Form verliert. Es fristet dann ein einsames Dasein in der hintersten Ecke des Kleiderschranks.

Für die Anhänger des Upcycling kann dieses alte T-Shirt jedoch eine spannende Grundlage sein, um etwas ganz Neues zu schaffen. So wird das ausrangierte T-Shirt in eine trendige Tragetasche verwandelt oder in einen kuscheligen Teddybären aufgewertet. Der Stoff des T-Shirts bekommt somit ein zweites Leben eingehaucht und damit eine verlängerte Nutzungsdauer. Rohstoffe werden geschont, da nicht neu produziert wird. Je länger ein Material genutzt wird, desto später werden weitere Rohstoffe abgebaut, um neue Produkte zu produzieren. Die Nachnutzung oder Wiederverwendung von gebrauchten Materialien reduziert damit den Ressourcenverbrauch.

Upcycled Handtaschen

Praxis und Tradition der Wiederverwertung

Besonders in „ärmeren“ Ländern ist Upcyling weit verbreitet. Die Kreativität und Motivation aus Altem Neues zu kreieren, ist in Entwicklungsländern jedoch keineswegs ein modischer Trend, sondern vielmehr eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Vermeintlichen Abfallmaterialien durch Weiterverarbeitung neue Lebenszeit zu schenken, geschieht hier nicht aus der Motivation heraus viele Instagram-Likes zu kassieren. Kreatives Upcyling ist in hier eine wirtschaftliche Notwendigkeit. Es ist eine Möglichkeit, nützliche Gegenstände zu produzieren, ohne Geld für Materialien ausgeben zu müssen. Ein bekannter Klassiker des Upcycling sind beispielsweise Sandalen oder Flip Flops, bei denen alte Autoreifen als Sohle verwendet werden.

Was in vielen Regionen der Welt „aus Not mach eine Tugend“ ist, mausert sich bei uns zu einer trendigen Bewegung. Doch auch hierzulande hat die Idee des Upcycling eine Tradition, welche viel früher als der aktuelle Trend entstanden ist. Die Idee der Neuverwertung gebrauchter Materialien ist beispielsweise in vielen traditionellen Handwerken keine Neuheit, sondern wird seit langer Zeit praktiziert. Beispielsweise verwenden Steinmetze ausrangierte Grabsteine neu. Im Goldschmiedehandwerk wird dem gebrauchten Material immer wieder eine neue Form gegeben. So kann beispielsweise aus altem Zahngold, neuer Schmuck entstehen.

Einige Handwerker freuen sich trotz alledem sehr über die neu entfachte Nachfrage nach Upcycling-Produkten. Es gibt immer mehr Menschen, welche aufwändige Umarbeitung, dieser Begriff wird im Handwerk traditionell für das Trendwort Upcycling verwendet, Wert schätzen und bereit sind dafür fair zu bezahlen.

Was steckt hinter dem großen Upcycling Trend?

Heute ist Upcyling besonders in wohlhabenden Gesellschaften auf dem Vormarsch. Jedoch aus ganz anderen Gründen als in Entwicklungsländern, in denen Upcycling aus der wirtschaftlichen Not heraus motiviert ist. In einem Umfeld aus materiellem Überfluss und sehr schnellem Konsum sehnen wir uns nach sinnvollen, individuellen und nachhaltigen Produkten. Upcycling wurde zum Bestandteil einer nachhaltigen Lebenseinstellung, die eng Verbunden ist mit Kritik an der Wegwerfgesellschaft.

Im Kontext von sich rasant änderndem Konsumverhalten, stark steigendem Bewusstsein für Nachhaltigkeit und der Sehnsucht nach immer mehr Individualisierung werden Upcycling-Produkte zunehmend zum Statussymbol und Lifestyle-Statement.
Wer entsprechende Produkte herstellt oder kauft kommuniziert an sein soziales Umfeld: „Ich handle ethisch und ökologisch korrekt.“

Wer Inspirationen für Upcyling-Projekte sucht wird zu nahezu jedem gebrauchten Material oder Produkt im Internet mit vielen tollen Ideen fündig. Besonders im Mode- und Einrichtungsbereich löst Upcycling eine große Faszination aus und befriedigt das Bedürfnis etwas Einzigartiges zu kreieren und zu besitzen. Ein weiterer Bereich, in dem Upcycling immer beliebter wird sind Geschenke. Selbst gemachte, ästhetische Basteleien als tolle Geschenkidee für Menschen, die sowieso schon alles haben. Auch Kunst aus Abfallprodukten erfreut sich großer Beliebtheit. Im Rückenwind der Do-It-Yourself Bewegung ist die kreative Zweckentfremdung alter Materialien beliebt wie nie zuvor und bringt spannende Möbel, individuelle Kleidung und tolle Geschenkideen hervor.

Unternehmen entdecken Upcycling als Geschäftsmodell

Nachhaltigkeit ist in aller Munde und hat sich als bedeutender Trend etabliert. Laut einer Umfrage, erwarten mehr als 90% der globalen Konsumenten, dass sich Unternehmen und deren Marken sozial, lokal und ökologisch engagieren und nachhaltiger positionieren. Das öffentliche Bewusstsein für die Idee der Nachhaltigkeit ist in diesem Zusammenhang in den letzten Jahren stark angestiegen. In einer Umfrage in Deutschland aus dem Jahr 2014 konnte nur etwa jeder Zehnte etwas mit dem Begriff Upcycling anfangen. Heute, nur 6 Jahre später, sind mehr als 80% mit der Idee des Upcycling vertraut. Fast jeder Zweite kann sogar eine Marke nennen, die Upcycling in ihr Geschäftsmodell integriert hat.

Dieser Trend blieb von der Wirtschaft natürlich nicht unerkannt. Großunternehmen und Handwerksbetriebe bieten ganz bewusst Upcycling-Produkte an und erfreuen sich über die stetig wachsende Nachfrage nach innovativen und kreativen Produkten, die aus vermeintlichem Abfall hergestellt wurden. Für viele Unternehmen sind dabei vor allem die Möglichkeiten der Vermarktung ihrer Nachhaltigkeit ein wichtiger Vorteil und Motivation im Bereich des Upcyclings aktiv zu werden.

So haben auch einige bekannte Marken längst erkannt, dass Upcycling ein sehr positiv belegtes und beliebtes Thema ist. Viele Unternehmen versuchen mit Upcycling-Initiativen auf sich aufmerksam zu machen. Sie möchten sich dabei ein nachhaltigeres Image verpassen. Beispielsweise hat der Sportartikelhersteller Adidas Schuhe und Sporttrikots auf den Markt gebracht, die aus Plastikmüll aus den Ozeanen hergestellt werden. So wurde zusätzliche Aufmerksamkeit auf die große Problematik von Plastikmüll im Meer gerichtet. Handelt es sich dabei primär um eine PR-Kampagne oder möchte sich Adidas tatsächlich ganzheitlich als nachhaltigeres Unternehmen positionieren? Ein guter Anfang ist es allemal. Stärkere Überzeugungskraft hätte es dennoch, wenn Unternehmen wie Adidas insgesamt nachhaltiger produzieren würden. Wenn sie ihr gesamtes Produktportfolio konsequent und zeitnah so ausrichten würden, dass Produkte so konzeptioniert und hergestellt werden, dass eine Nutzung über eine deutlich längere Zeit ermöglicht wird.

Als Konsumenten sind wir gut beraten, kritisch zu prüfen in welchen Produkten echtes Upcycling steckt. Leider sind viele Produkte großer Unternehmen, die als Upcycling-Produkte beworben werden, tatsächlich keine ganzheitlich nachhaltigen Produkte. Beispielsweise ist oft nur ein Teil des Produkts aus Abfallprodukten hergestellt, andere Produktkomponenten jedoch wie gewohnt unter der Verwendung wertvoller originärer Ressourcen produziert. Upcycling ist in diesen Fällen möglicherweise lediglich eine Marketingstrategie, um das Image eines Produktes oder einer Produktlinie „grün zu waschen“.

Pflanzen in Upccled Blumentöpfen

Wie nachhaltig ist Upcycling wirklich?

Upcycling leistet einen Beitrag zur Eingrenzung der gesamten Abfallmenge die zu immer größeren Müllbergen führt. Doch es ist keine strategische Lösung für die gigantischen und schnell ansteigenden Müllmengen auf unserem Planeten. Die Menge an Abfallmaterialien, denen durch Upcycling neues Leben eingehaucht wird, ist hierfür leider vernachlässigbar klein. Doch der Trend Upcycling richtet viel Aufmerksamkeit darauf, dass es ein großes Müllproblem gibt. Upcycling regt uns zum Nachdenken an und bringt wichtige Fragen auf: Wie können wir mit dem Müllproblem umgehen? Wohin führt uns die Kultur der Wegwerfgesellschaft? Wie kann ich dazu beitragen, dass auf unserem Planeten weniger Müll entsteht?

Es gibt auch ökologische Kritik am Recycling und der Spezialform des Upcyling. Teilweise ist die gesamte Ökobilanz besser, wenn von Anfang an hochwertige Produkte hergestellt und gekauft werden. Diese haben eine lange Lebenszeit und können somit über viele Jahre hinweg genutzt werden. Das bedeutet auch: Nicht dem Müll sollte die Aufmerksamkeit zukommen, sondern den ursprünglichen Faktoren, die dazu führen, dass Produkte oftmals nach so kurzer Zeit im Müll landen. Wirkliche Nachhaltigkeit kann basierend auf dieser Sichtweise dann erreicht werden, wenn der Fokus darauf gerichtet wird, wie aus wertvollen originären Rohstoffen hochwertige und dadurch langlebige Produkte erschaffen werden. Ressourcenleichte und öko-intelligente Produktion und Konsum nennt sich diese Denkrichtung.

Darüber hinaus darf kritisch gefragt werden, wie langlebig Upcycling-Produkte tatsächlich sind. Wird der Schmuck aus Plastikabfällen langfristig getragen? Wird die Tragetasche aus der alten Jeans wirklich benutzt? Oder: Wird aus Müll einfach wieder ein Wegwerfprodukt in anderer Form hergestellt?

Noch deutlich nachhaltiger als Upcycling ist es alte, gebrauchte Gegenstände zu reparieren und in ihrer eigentlichen Verwendungsform weiter zu nutzen. Eine Hose mit Loch zu flicken oder eine abgewetzte, noch gut funktionierende Tasche nicht in die Tonne zu werfen. Das ist unterm Strich möglicherweise am umweltfreundlichsten.

Prinzipiell ist es gut Upcycling-Produkte zu konsumieren und besser als Neuware zu kaufen ist es allemal. Upcycling ist dann besonders nachhaltig, wenn Ausgangsmaterialien verwendet werden, die in Ihrer ursprünglichen Verwendungsform so tatsächlich nicht mehr genutzt werden können. Wenn Materialien sozusagen vor der Mülltonne gerettet werden und durch kreative Neugestaltung zusätzliche Nutzungsdauer generiert wird. Dann ist Upcycling wirklich nachhaltig.

Upcycling wird über die Menge an vermeintlichen Abfällen, die neue Verwendung finden nur einen vernachlässigbaren Beitrag zu einer ökologischeren und ethischeren Welt beitragen können. Vor dem Hintergrund der schieren Massen an Abfällen die täglich anfallen sind die Materialien, welche für Upcycling verwendet werden, lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. Viele Upcyling-Produkte sind leider ohnehin nicht massentauglich. Dennoch vermitteln sie die inspirierende Idee, dass aus vermeintlich wertlosem, noch etwas Schönes, Kreatives oder Wertvolles gemacht werden kann.

Die Strahlkraft von Upcycling ist eine große Chance für mehr Nachhaltigkeit auf unserem Planeten. So kann jedes Upcyling Produkt, egal ob gekauft oder selbst hergestellt, als wertvolle Botschafterin betrachtet werden. Eine Botschafterin für mehr Aufmerksamkeit für das Müllproblem auf unserer Welt, für nachhaltigen Konsum und als Statement gegen die Wegwerfgesellschaft.

 

Diese Artikel könnten Dich auch interessieren:

7 praktische Tipps für den Einstieg ins regionale Einkaufen
Zero Waste: Einstieg in den umweltbewussten Lifestyle
Elektroschrott: Problematik, Entsorgung und Vermeidung
Zersetzungszeiten von Plastikmüll im Meer

Weitere Artikel